Carmela Troncoso wird neue wissenschaftliche Direktorin am MPI für Sicherheit und Privatsphäre

Von der Entwicklung der SwissCovid-Tracing-App bis hin zu ihrer Arbeit mit dem Roten Kreuz: Ihr Ziel ist es, die Auswirkungen der Technologie auf die Gesellschaft zu verstehen und zu mildern

8. Januar 2025

Während der COVID-19-Pandemie wurden Apps zur Ermittlung von Kontaktpersonen zu einem weit verbreiteten Instrument zur Erhaltung der öffentlichen Gesundheit. Diese Apps sollten Menschen warnen, wenn sie in engem Kontakt mit einer Person standen, die später positiv auf eine Infektion mit dem Coronavirus getestet wurde. Die größte Herausforderung bei der Entwicklung solcher Apps bestand darin, sicherzustellen, dass sie nicht zum Schaden von Nutzer*innen und Bevölkerung eingesetzt werden können, insbesondere durch die Verwendung von Daten, die für die Kontaktverfolgung gesammelt wurden, für andere Zwecke neben der Pandemie-Bekämpfung. Die Datenschutz-Expertin Carmela Troncoso leitete jenes Team, welches das Protokoll zur dezentralen, datenschutzfreundlichen Verfolgung von Kontakten (Decentralized Privacy-Preserving Proximity Tracing Protocol, kurz DP-3T) entwickelte. Das stellt sicher, dass die Daten, die vom Gerät der Nutzer*innen übertragen werden, keine Informationen über ihren Aufenthaltsort oder ihre sozialen Kontakte enthalten. Durch diesen Schutz der Privatsphäre wurde sichergestellt, dass die Nutzung der Apps kein Risiko für die Nutzer*innen darstellt. 
 

“Viele Leute fragen mich, ob ich traurig sei, dass die App nicht mehr genutzt wird. Ich antworte immer, dass ich genau deshalb diese App als den größten Erfolg meiner Karriere betrachte“, sagt Troncoso. Die App wurde so konzipiert, dass sie möglichst wenig Daten benutzt und keine Rückschlüsse auf die Gewohnheiten der Nutzer*innen zulässt. Dieser Ansatz verhindert eine mögliche Weiterentwicklung der App zu anderen (kommerziellen) Zwecken. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass die Verwendung der App die Ausbreitung des Virus wirksam verhinderte. Auch die Tatsache, dass die Apps schnell wieder verschwanden, beweist, dass das Design mit dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer*innen den beabsichtigten Zweck erfüllte.

Troncosos Arbeit an Technologien zur Wahrung der Privatsphäre endet nicht mit der SwissCovid-App. Ihre Gruppe hat in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Netzwerk Investigativer Journalisten eine Software namens Datashare Network entwickelt. Die ermöglicht es Journalist*innen, untereinander in sensiblen Dokumentensammlungen zu suchen, ohne dass diese Dokumente veröffentlicht werden müssen. So können ihre Identitäten geschützt und das Risiko von Datenmissbrauch gemindert werden. Troncoso arbeitet auch seit langem mit dem Roten Kreuz zusammen und stellt wissenschaftliches Fachwissen zur Verfügung, um deren Prozesse, wie die Verteilung humanitärer Hilfe mittels biometrischer Daten, zu digitalisieren und dabei sicherzustellen, dass die Digitalisierung keine zusätzlichen Risiken für die Empfänger*innen der Hilfe mit sich bringt. Außerdem entwickelt sie weiterhin Systeme zum Schutz der Privatsphäre, um Nutzer*innen vor Schaden zu bewahren.

Teil ihrer Forschung ist auch die kritische Analyse von bestehenden und neuen Technologien, die vorgeben, Nutzer*innen und ihre Daten zu schützen. So hat sie beispielsweise gezeigt, dass synthetische Daten keinen besseren Schutz bieten als herkömmliche Anonymisierungstechniken und dass die Dezentralisierung des maschinellen Lernens keine zusätzliche Sicherheit für die Nutzer*innen bedeutet. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ihrer Arbeit ist die Informierung der Öffentlichkeit über Möglichkeiten und Grenzen von Technologien. Während der Pandemie hat sie zahlreiche Interviews gegeben, in denen sie die Aspekte ihrer Arbeit vorstellte, die sich mit der Wahrung von Privatsphäre beschäftigen. Außerdem beteiligte sie sich aktiv an der Erstellung eines Gutachtens über die Grenzen und Gefahren von Technologien, welche die Verbreitung von Material über sexuellen Kindesmissbrauch durch clientseitiges Scannen bekämpfen.

Carmela Troncoso wird im März ihre Tätigkeit als wissenschaftliche Direktorin der Abteilung SPRING (Security and Privacy Engineering) am MPI-SP aufnehmen. „Ich freue mich sehr darauf, dem MPI beizutreten und viele Kooperationen innerhalb des MPI-SP und der Max-Planck-Gesellschaft als Ganzes zu beginnen“, sagt Troncoso. „Die Fülle an verschiedenen Profilen meiner Kolleg*innen ist eine perfekte Ergänzung zu meiner gesellschaftlich orientierten Forschung und wird meiner Gruppe dabei helfen, mehr einsatzfähige Technologien zum Schutz der Privatsphäre zu entwickeln. Das kann zur Digitalisierung der Welt beitragen, ohne dabei Menschen und Gemeinschaften zu schaden, insbesondere nicht denjenigen, die am dringendsten auf Hilfe angewiesen sind, wie Flüchtlinge oder Journalist*innen.“

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